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Mein Gott - bist du schön!!! (Mythos des Monats)

Er konnte seine Augen nicht mehr abwenden! Er musste einfach hinsehen! Solch gewaltige Schönheit hatte er noch nie erlebt! Er winkte - der andere winkte zurück! Er lächelte - der andere lächelte zurück! Er streckte seine Hand nach ihm aus - der andere tat es ihm gleich! Bei aller Faszination bemerkte er nicht, dass er in sein Spiegelbild verliebt war!

Wer kennt das nicht: Man ist verliebt, und der andere will nichts von einem wissen.
Es ist eine tragische Geschichte, die uns der Mythos des Monats Echo und Narciss erzählt, eine eigentlich doppelt unglückliche Liebe.
Da ist eine Frau, eine Nymphe namens Echo, die sich in einen wunderschönen Jüngling verliebt, aber stets von ihm zurückgewiesen wird. Darüber hinaus kann sie sich nicht richtig artikulieren: Juno, die Ehefrau des Göttervaters Jupiter, hatte sie dazu verurteilt, nur noch die letzten Silben eines Satzes wiederholen zu können.

Aber auch der Jüngling, sein Name Narciss und sich seiner Schönheit bewusst, will nichts von ihr wissen. Als er ruft: "Wer bist du? Kennst du mich?" hört er nur die Worte: "…ich - … ich - …ich." Zu allem Unglück erblickt der Jüngling ein Bild von sich in einem Teich. Er ist ganz hingerissen und verliebt sich unsterblich in sein eigenes Spiegelbild, ohne es zu merken! Und so liegt er Tag und Nacht am Teich bei seinem Spiegelbild, betrachtet es selbstverliebt und bemerkt dabei nicht, dass ihm die Kräfte schwinden und er nach und nach an seiner Selbstverliebtheit zergeht. Das einzig, was von ihm bleibt, ist eine Narzisse, die an genau dieser Stelle zu wachsen beginnt, an der er lag.

Und so nehmen Inhalte aus dem Mythos, sowie Sentenzen zu Schönheit und unglücklicher Liebe Sie bereits in der Eingangshalle des GMG an die Hand und führen Sie Stück für Stück zum Latein-Schaukasten in den ersten Stock, wo Sie sich gerne selbst prüfen können, ob Sie ein Narzisst sind - Spiegel wären reichlich vorhanden!

 

Zur Interpretation: Der Mythos spricht von einer Charaktereigenschaft, die wir noch heute bei einigen Menschen vorfinden: Den sogenannten Narzissmus. In der heutigen Psychologie versteht man unter einem „Narzissten“ einen Menschen, der ausgeprägten Egoismus, Arroganz und Selbstsüchtigkeit an den Tag legt und sich anderen gegenüber rücksichtslos verhält.

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung ist dagegen eine tiefgreifende Störung der Persönlichkeit, bei der ein mangelndes Selbstwertgefühl und eine starke Empfindlichkeit gegenüber Kritik bestehen. Diese Merkmale wechseln sich mit einer auffälligen Selbstbewunderung und übersteigerten Eitelkeit und einem übertriebenen Selbstbewusstsein nach außen hin ab. Letzteres dient den Betroffenen dazu, ihr geringes Selbstwertgefühl zu kompensieren. Darüber hinaus können sie sich schlecht in andere Menschen einfühlen.
Die Betroffenen neigen dazu, sich nach außen hin als großartig zu präsentieren. Sie betonen zum Beispiel ihre beruflichen Leistungen, treten sehr statusbewusst auf oder haben eine Neigung zu exklusiven Aktivitäten. Oft überschätzen sie dabei ihre eigenen Fähigkeiten oder stellen sie besser dar, als sie es in Wirklichkeit sind. Außerdem neigen sie dazu, zu lügen – mit dem Ziel, Zuwendung und Anerkennung zu bekommen oder aber ihren eigenen Willen durchzusetzen. Wegen ihres geringen Einfühlungsvermögens verhalten sie sich anderen gegenüber oft so, wie sie selbst nicht behandelt werden möchten: Sie beuten andere aus oder zerstören aus Neid deren Leistungen.
Die psychoanalytische Theorie geht davon aus, dass Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung in ihrer Kindheit von den Eltern zu wenig Liebe und Anerkennung bekommen haben. Es könnte aber auch sein, dass die Eltern ihr Kind und dessen Wünsche in den Mittelpunkt gestellt haben und es übermäßig für seine Talente bewundert haben.

Und so mahnt uns der Mythos von Narciss und Echo noch heute vor übertriebener Selbstverliebtheit und Selbstsucht, vor übertriebenen Schönheitsidealen und Selbstdarstellungen, wie sie ja heute in digitalen Medien wie auf facebook oder youtube durchaus üblich sind.

         

ROLAND VÖLKL,05.05.19